Reflexionen

In dieser Rubrik versuche ich einerseits, meine jeweiligen Erkundungen im Hinblick auf Erkenntnisse und offene Fragen zu reflektieren.

Des weiteren ist hier Platz für allerlei Gedanken und Einfälle rund um Zusammenhänge zwischen Drama, Theater, Schreiben, Dramatherapie, Schreibtherapie, usw. …

17. April 2017

Erste Erkundung: Ostern ist anders

Gleich auf meiner ersten Erkundung zerbreche ich mir ein wenig den Kopf, was es nun mit der dramatischen Realität beim Ritual der österlichen Eiersuche genau auf sich hat. Denn, so denke ich mir plötzlich, ein so tun als ob setzt ja voraus, dass ein Kind sich des imaginativen Charakters dieses Osterbrauches bewusst ist. Dass es in diesem Ritual seine Rolle – eben die Eier zu suchen – wahrnimmt, gleichzeitig aber um diese „Welt in der Welt“ weiss. Bewegt sich somit ein Kind, solange es tatsächlich an den Osterhasen glaubt, aus seiner Perspektive nicht in einer dramatischen, sondern der Alltagsrealität, wenn es Ostereier sucht?

Anders wird dies vielleicht wiederum, wenn das Kind erfahren hat oder ahnt, dass es den Osterhasen in Wirklichkeit nicht gibt, und dennoch bei der Suche so tut, als ob die Eier vom Osterhasen versteckt worden wären. In diesem Zusammenhang finde ich die Äusserung einer Entwicklungspsychologin in einem Zeitungsartikel zum Thema des „Mythos Osterhase“ sehr interessant. So seien Kinder ab etwa fünf Jahren durchaus in der Lage, flexibel zwischen zwei Wirklichkeiten zu wechseln. Selbst wenn sie merkten, dass die Ostereier die gleichen seien wie jene, die sie mit den Grosseltern gefärbt hatten, seien sie im nächsten Moment bereit zu glauben, dass tatsächlich der Osterhase sie gebracht habe.

Und schliesslich: wenn die Bezugspersonen ihre Rolle im Ritual ausagieren, z.B. indem sie dem Kind berichten, der Osterhase sei nun über Nacht gekommen, dann bewegen sie sich selbst in einer dramatischen Realität?

Ich bin mir bei diesen Überlegungen sehr unsicher, vielleicht verstehe ich es ganz falsch. Wie seht ihr das?

Zudem hier noch ein spannender Beitrag zu Ostern aus Sicht der Mutter eines jüdischen Kindes, das in einem interreligiösen Umfeld aufwächst.

19. April 2017

Der wahre Osterhase

Ostern ist zwar nun vorbei, aber diesen Kurzfilm hier, den mir eine liebe Kollegin als Reaktion auf diesen Blogeintrag gesendet hat, muss ich einfach noch mit euch teilen (auch wenn es Schleichwerbung ist)… Er gibt die beruhigende Antwort auf alle Fragen von Sara! Viel Vergnügen 🙂

27. April 2017

Zweite Erkundung: Le palais des cigarettes

Bei meiner zweiten Erkundung wusste ich noch weniger genau, was auf mich zukommen würde. Vereinbart war der Besuch einer Theateraufführung, bei der ein Kollege mitspielte. Heraus kam ein sehr unterhaltsamer, bisweilen tragikomischer Reigen an 10-minütigen Bühneneinblicken in Liebes-, Begehrens-, Leidens- und allerlei andere zwischenmenschliche Welten. In zwei, drei der Stücke glaubte ich eine Form dramatischer Realität zu entdecken, die mich besonders faszinierte. Ich nenne sie einmal „doppelte dramatische Realität“. Eines dieser Stücke hob sich von den anderen auch thematisch ein wenig ab und drängte sich mir dadurch als Schreibobjekt auf: 10‘000 cigarettes.

Vom originalen Stück habe ich eine kurze, knappe Sprache übernommen, und Abschnitte, die nach meinem Empfinden eine „doppelte dramatische Realität“ enthalten, formal zu kennzeichnen versucht: „gloria manifestiert zigarettenimagination“. In diesen Abschnitten entsteht für die Zuschauerin neben der primären dramatischen Realität (den vier rauchenden und sprechenden Schwestern auf der Bühne) eine zweite, die, einer Matrjoschka-Puppe gleich, in der ersten enthalten ist: Dior im Pariser Tante-Emma-Laden; das Rauchen von 10‘000 Zigaretten; Besuch in den Aberhunderten Zimmern des Palais des cigarettes. Indem die jeweilige Gloria nicht nur über diese Fantasie spricht, sondern sie gemeinsam mit den anderen in einem Rollenspiel darstellt/ausagiert, entsteht ein „Rollenspiel im Rollenspiel“ oder eben für mich eine „doppelte dramatische Realität“. Die Vielschichtigkeit und das Ineinandergreifen von Realitäten wird bei diesem dramatischen Phänomen, so scheint mir, besonders deutlich.

Die Internetrecherche hat mich zum Werk „Theater im Theater: Formen und Funktionen eines dramatischen Phänomens im Wandel“ von Karin Schöpflin geführt, von dem aber online leider nur das Inhaltsverzeichnis und keine weitere Leseprobe verfügbar ist. Das Werk scheint sich auf als eigentliche Theateraufführungen inszenierte Rollenspiele innerhalb eines Gesamt-Theaterstücks zu konzentrieren (wie z.B. das Theater, welches Shakespeare’s Hamlet zum Mord an seinem Vater aufführen lässt). Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis lässt mich vermuten, dass es sich bei den von mir als „manifestierte zigarettenimaginationen“ benannten Episoden zwar wohl nicht um ein Theater im Theater im eigentlichen Sinne handelt, aber womöglich um „schauspielhafte Elemente im Dramengeschehen“ oder „dramatische Passagen mit Einlagencharakter“ (Unterkapitel.: „Die Traumvision“) handeln könnte.

So weit mein heutiger kleiner Ausflug in die Theaterwissenschaft…

5. Mai 2017

Dank der Assoziation von Mia/Sabine Nachtschreiberin habe mich an das Lied eines (in der Schweiz ;-)) legendären Mundart-Liedermachers, Mani Matter, erinnert. Es handelt vom metaphysischen Gruseln, das den Erzähler packt, als er sein unendliches Spiegelbild im Friseursalon (schweizerdeutsch bzw. französisch „Coiffeur“) wahrnimmt, ähnlich der Matrjoschka, die mir eingefallen war, oder Heddas Schachteln – vielleicht noch ein bisschen unendlicher ;-)… Hier der Liedtext auf Berndeutsch und das Lied als Audiodatei (leider wieder mit Werbung). Für allfällige Übersetzungen stehe ich gerne zur Verfügung; schon mal vorab: „Gufechnopf“ ist das berndeutsche Wort für den Kopf einer Stecknadel, „gspässig“ für seltsam, „Chlupf“ für Schreck… Viel Vergnügen damit!

Bim Coiffeur (Text und Musik: Mani Matter, 1966)

Bim Coiffeur bin i gsässe vor em Spiegel, luege dry
Und gseh dert drinn e Spiegel wo ar Wand isch vis-à-vis
Und dert drin spieglet sech dr Spiegel da vor mir
Und i däm Spiegel widerum dr Spiegel hindefür

Und so geng wyter, s’isch gsy win e länge Korridor
I däm my Chopf gwüss hundertfach vo hinden und vo vor
Isch ufgreit gsy i eier Kolonne, z’hinderscht isch dr Chopf
I ha ne nümme gchennt, so chly gsy win e Gufechnopf

My Chopf, dä het sich dert ir Wyti, stellet öich das vor
Verloren ir Unäntlechkeit vom länge Korridor
I ha mi sälber hinde gseh verschwinde, ha das gseh
Am heiterhälle Vormittag und wi we nüt wär gscheh

Vor Chlupf han i mys Muul ufgsperrt, da sy im Korridor
Grad hundert Müüler mit ufgange win e Männerchor
E Männerchor us mir alei, es cheibe gspässigs Gfüel
Es metaphysischs Grusle het mi packt im Coiffeurgstüel

I ha d’Serviette vo mer grisse, ungschore sofort
Das Coiffeurgschäft verlah mit paar entschuldigende Wort
Und wenn dir findet i sött e chly meh zum Coiffeur ga
De chöit dir jitz verstah warum i da e Hemmig ha

7. Mai 2017

Dritte Erkundung: Alti Dante meets Böögg

Auf meiner dritten Erkundung habe ich die Welt der Rituale als eine der Erscheinungsformen dramatischer Realität betreten. Rituale weisen sicher selbst wieder mannigfache verschiedene Erscheinungsformen auf, und vielleicht kann ich im Laufe der kommenden 8 Wochen noch eine, zwei weitere erkunden. Hier jedenfalls ging es um die Form der volkstümlichen Bräuche bzw. traditioneller Volksfeste. Ursprünglich wollte ich mich in der Begegnung zwischen den personifizierten Sechseläuten (Böögg) und Basler Fasnacht (alti Dante) auf Gedanken zur Qualität dieser dramatischen Realitäten im Sinne ihres schöpferischen Potenzials und ihres Grades an Freiheit konzentrieren. Der markante Unterschied der starken (Basler Fasnacht) oder eben inexistenten (Sechseläuten) politischen Ausrichtung des jeweiligen Brauches führte mich dann aber zur Frage des Verhältnisses traditioneller Bräuche zur aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung.

Traditionelle Bräuche widerspiegeln wohl praktisch immer auch traditionelle Gesellschaftsstrukturen. Inwieweit tragen sie damit – solange sie „in ihrer ursprünglichen Reinform“ durchgeführt werden – vielleicht auch dazu bei, konservative Haltungen und starre Weltanschauungen zu bestärken? Hätten sie umgekehrt einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf individuelle Einstellungen betreffend eine inklusive Gesellschaft, wenn sie sich selbst inklusive Strukturen geben würden, nicht nur was Gender, sondern auch was ethnische Herkunft, Religion, soziale Stellung, Behinderung, usw. anbelangt? Könnten sie dank ihrer nach wie vor grossen Breitenwirksamkeit in den Köpfen zahlreicher Menschen ein Hinterfragen von vermeintlich Selbstverständlichem und womöglich ein Umdenken bewirken? Schliesslich sind Menschenköpfe glücklicherweise doch langlebiger und lernfähiger als derjenige des Zürcher Bööggs…

Über die (auch nicht widerstandslos erfolgte) Integration einer tschechischen Clique in die Basler Fasnacht, den Export derselben nach Prag und die Fasnacht als „Revolte gegen den Alltag“ berichtet dieser Zeitungsartikel.

11. Mai 2017

Vierte Erkundung: Des Prinzen Werk

Gegenstand meiner vierten Erkundung ist das dramatische Spiel meines zweijährigen Nachbarjungen, eines kleinen Prinzen, der es derzeit liebt, die wild spriessenden Sträucher im Garten mit einem als Säge dienenden Holzstecken in imaginierter Weise in Form zu bringen, ganz analog zum Werk seines Vaters. Dabei wendet er so viel Innigkeit und Sorgfalt auf, dass ich mir diese Hingabe von uns allen an alle und an die Welt sehnlichst wünsche. Vielleicht mögt Ihr mir auch von Euren Erinnerungen und Erlebnissen mit dem dramatischen Spiel von Kindern berichten, ich würde mich sehr darüber freuen.

28. Mai 2017

Fünfte Erkundung: Flausentanz

Eigentlich hatte ich eine andere Erkundung geplant, aber das war nicht vorbestimmt. Und so liess ich mich begeistern von der wunderbar sinnlichen Überraschung Abertausender tanzender Flusen in den Strassen Berlins. Weiss und flaumig-zart, nahmen sie wandelbar so mancherlei Gestalt an: Wolken, Schneeflocken, Morgendunst, Baumwollknäuel… Pappelwolle, wie ich von Google erfuhr, die – nach einem milden Herbst besonders intensiv – sich in Scharen von den Bäumen ablöst und in der Verbreitung zu vermehren sucht. Pappelwolle in der Alltagsrealität, Flusen als flaumige Neuflausen in einer dramatischen Realität. Wann habt ihr euch zum letzten Mal von einem Naturschauspiel verzaubern und mitnehmen lassen?

 

10. Juni 2017

Sechste Erkundung: Bei Sushma

Meine sechste Erkundung beinhaltet eine Erinnerung an einen Aufenthalt bei einer nepalesischen Kollegin. Ich durfte dabei ihre kleinen Räume mit bewohnen und an ihrem Alltag teilhaben. Zentrale Bedeutung hatte für sie als Hindu die morgendliche religiöse Zeremonie, die sogenannte Puja. Auch durch das Ritual, das hier und in vielen anderen Kulturen insbesondere dem Praktizieren einer Religion dient, wird eine Welt innerhalb einer Welt geschaffen. Die gedankliche und emotionale Verbindung mit dem Göttlichen wird offenbar, indem sie in Form des Rituals dargestellt wird. Huizinga schlug zudem vor, das Ritual als „heiliges Spiel“ zu betrachten (siehe Artikel von Susana Pendzik).

Welche eigenen Erfahrungen oder Beobachtungen verbindet ihr mit religiösen Ritualen? Über kleine Geschichten dazu würde ich mich freuen.

2. Juli 2017

Siebte Erkundung: Gewendet

Nach einer ungewollt langen Pause darf mein Blog nun noch bis Ende Juli in die Verlängerung gehen, wofür ich unserem Dozenten Daniel Spielmann herzlich danke.

Aus aktuellem Anlass der Sommersonnenwende habe ich mir für diesen Eintrag ausgemalt, wie es vielleicht gewesen wäre, wenn ich auf meiner Irlandreise vor einigen Jahren zu den glücklichen BesucherInnen von Newgrange gehört hätte, die per Losverfahren ausgewählt werden, um der ganz besonderen Wintersonnenwende in diesem neolithischen Hügelgrab beizuwohnen. Ich empfinde dieses Ereignis als ein wunderbar raffiniertes Ritual, durch welches die Besonderheit der Zeitenwende für die Augen der Zuschauenden sichtbar wird. Ewige Natur wurde gewissermassen durch Menschenhand in eine Form gebracht, die den Menschen eine spektakuläre momentane Einsicht in erstere ermöglicht. Oder auch: eine uralte Erscheinungsform dramatischer Realität…

Einen plastischen Eindruck von der Wintersonnenwende in Newgrange gibt folgendes Video:

 

9. Juli 2017

Achte Erkundung: Die Welt ist rund

In meiner achten Erkundung habe ich mich mit einem Sportanlass als einer Form dramatischer Realität befasst. Dazu schaute ich mir vor einer Woche das Finale des Confederations Cup mehrheitlich auf einem deutschen, zwischendurch aber auch auf einem österreichischen und einem Schweizer Sportkanal an. Ich notierte mir einige besonders prägnante Sätze der Kommentatoren und montierte sie anschliessend zu einem fiktiven Dialog in 5 kleinen Szenen, wie er sich zwischen zwei deutschen Fussballfans abspielen könnte, die sich das Spiel im Fernsehen anschauen.

Besonders plastisch zeigt sich mir persönlich an einem Fussballspiel als Erscheinungsform dramatischer Realität, wie Dingen – hier ganz konkret dem Ball – eine Bedeutung beigemessen wird, die sie im Alltag nicht besitzen, und die sich letztlich nicht mit ihrer realen Wichtigkeit deckt (siehe dazu den Artikel von Susana Pendzik). Auch die besonderen Regeln, die den Darstellungsformen nach Schechner auferlegt werden, um sie vom alltäglichen Leben abzugrenzen, werden im sportlichen Wettkampf besonders offenbar. Die für die Wiedergabe dieser anderen Welt geschaffenen besonderen Orte wiederum sind im Fall des Fussballspiels die Stadien. Und schliesslich gilt wie für die anderen Darstellungsformen – trotz inzwischen grosser Effizienz und Professionalität – auch für den sportlichen Wettkampf, dass er in sich nicht produktiv ist und jenseits von produktiver Arbeit steht.

16. Juli 2017

Neunte Erkundung: Wortobjekte, geschichtenträchtig

Im Zürcher Rietberg-Museum sind in einer noch bis Mitte August andauernden Ausstellung altägyptische Statuen, Kultgegenstände, Sarkophage und Götterbilder aus den zwei Städten Thonis-Herakleion und Kanopus zu sehen. Die Objekte versanken mit den Städten im 8. Jahrhundert n.Chr. im Meer und konnten erst vor kurzem nach jahrelanger Forschung und unter Einsatz modernster Technik geborgen werden.

Während meines Museumsbesuchs durfte ich einer Führerin lauschen, die es ausgezeichnet verstand, das geschichtsträchtige Objekt vor meinen Augen mit ihren Worten zu einem geschichtenträchtigen zu machen. Aus Objekten und Worten wurden so für mich Szenen; als handle es sich um ein Theaterstück mit dem Objekt als einzigem Darsteller… Eine wunderbare Art, Geschichte(n) erfahrbar zu machen.

 

23. Juli 2017

Zehnte Erkundung: Filmreife Pferdestärke

Auf meiner zehnten Erkundung habe ich mich einer für mich besonders kuriosen Erscheinungsform dramatischer Realität gewidmet: der Welt der Filmpferde. Eine Kollegin, die als Improschauspielerin für eine Vorführung der entsprechenden Pferdekünste an einer Messe gebucht worden war, hat mich darauf aufmerksam gemacht und mir diesen Artikel zukommen lassen: So werden Pferde zu Filmstars

Kurios erscheint mir diese Form, weil sie Tiere irgendwie vermenschlicht, und zwar auf einer Ebene, die mir noch nicht vertraut ist. Pferde lernen hier insbesondere, menschliche Mimik und Gestik nachzuahmen (z.B. Lachen, Kopfschütteln). Ohne jemandem unter Euch zu nahe treten zu wollen, habe ich die Tendenz, v.a. mit Hunden im Rahmen von Hundesalon-Besuchen, Schönheitswettbewerben oder dem Verfolgen von Modetrends ähnlich wie mit Menschen umzugehen, schon öfters beobachten können. Die hier beschriebenen Filmpferde dringen dagegen m.E. in eine neue Dimension vor, indem sie neben Menschen als BerufsschauspielerInnen fungieren und zu Filmstars werden können.

Während ich den letzten Satz schrieb, fiel mir allerdings ein, dass dieses Phänomen ja eigentlich schon ziemlich alt ist und ich durchaus einen persönlichen Bezug dazu habe: so gehörten Lassie, Fury und Flipper in meiner Kindheit genauso in meine Filmwelt wie Pippi Langstrumpf oder Terence Hill und Bud Spencer… Und sehrwahrscheinlich wurden auch diese drei tierischen Filmstars bereits in menschlichen Verhaltensweisen und nonverbalem Ausdruck trainiert; geändert hat sich womöglich aber die Professionalität, das Ausmass und die Kommerzialität dieser „Szene“ im Sinne der Etablierung einer eigentlichen Filmpferdeindustrie. Offenbar ist es also mehr eine neue Perspektive auf ein eigentlich bekanntes Phänomen, die sich mir hier eröffnet hat: gewissermassen backstage mit Filmpferden…

Wer waren oder sind Eure tierischen FilmheldInnen? Und wie geht es Euch generell mit dem Anliegen, tierisches Verhalten zur Unterhaltung von Menschen dem menschlichen anzunähern?

26. Juli 2017

Elfte Erkundung: Immer wieder

Auf meiner elften Erkundung habe ich das Phänomen der sogenannten „standardisierten Patient_innen“ aus Sicht einer/s ebensolchen zu betrachten versucht. Dabei habe ich mir überlegt, was die betreffenden Menschen ausser Spass, Interesse am Thema und/oder der Entlöhnung sowie der Entwicklung des schauspielerischen Könnens zur Übernahme dieser Rolle wohl noch so bewegen könnte.

Was aber sind denn eigentlich standardisierte PatientInnen? Wir befinden uns hier auf dem Gebiet der Humanmedizin, genauer den praktischen Prüfungen des Staatsexamens, einer ganz besonderen und sicherlich besonders bedeutsamen Erscheinungsform dramatischer Realität. Diese Prüfungen erfolgen in der Schweiz nach den Prinzipien eines sogenannten OSCE (Objective Structured Clinical Examination).

Die Patient_innen sind Schauspieler_innen, die zuvor ein intensives Training zur Vorbereitung auf ihren Einsatz erhalten haben. Wert gelegt wird insbesondere auf ein stets gleiches Verhalten gegenüber den verschiedenen Kandidat_innen, um Objektivität zu wahren. Des Weiteren ist es sehr wichtig, dass standardisierte Patient_innen über ein ausgeprägtes Körperbewusstsein verfügen, um sich v.a. auch auf dieser Ebene möglichst identisch zu verhalten und feine Nuancen in Bewegungen und Haltungen zu spüren und korrekt darzustellen. Ein anspruchsvoller Job!

Im folgenden Video zum Standardablauf der Clinical Skills Prüfung in der Schweiz könnt Ihr Euch ein konkretes Bild machen:

Vielleicht habt auch Ihr schon ähnliche Erfahrungen als – salopp formuliert – „Versuchskaninchen“ in einem solchen besonderen oder aber auch einem weiter verbreiteten Setting gemacht? Oder Ihr kennt eine ähnliche Situation aus der Perspektive der „versuchenden Person“? Ich bin gespannt auf Eure Erfahrungen und Assoziationen…

29. Juli 2017

Zwölfte Erkundung: Let’s motto!

Mein „Lieblingsthema“ habe ich mir für den zwölften und im Rahmen meiner Studienleistung letzten Blogeintrag aufgespart. Ich bin nämlich ein absoluter Fan von Mottoparties und habe bereits etliche davon miterlebt und/oder selber (mit)organisiert. Die späte Bearbeitung des Themas ist allerdings nicht nur der Aufbewahrung eines „Zückerchens“ geschuldet: die Wahl einer konkreten textlichen Form der Bearbeitung fiel mir nämlich erstaunlich schwer. Die ursprünglich geplante fiktive Begegnung von Figuren über verschiedene der von mir erlebten Mottoparties hinweg erwies sich als zu artifiziell und verschroben. So entschied ich mich für eine simple, aber unter Umständen hilfreiche Form einer Art „Anleitung für Mottoparties“, die bei meinen Leser_innen idealerweise sogar Lust wecken könnte, selber einmal eine Mottoparty zu organisieren, allenfalls auch Vorurteile abzubauen oder – bei vorhandenen eigenen Erinnerungen – (hoffentlich) in selbigen zu schwelgen.

Zugleich wollte ich mit meinem Eintrag aber auch auf die mit Mottoparties verbundenen Gefahren hinweisen, namentlich der Gefahr (ungewollter) Diskriminierungen. Meine persönliche Erfahrung betrifft dabei das erwähnte „Blackfacing“, das einzelne Gäste an meiner Abschiedsparty vor einem längeren Kenia-Aufenthalt (Motto: „Hakuna matata“) praktizierten. Ich war davon völlig überrumpelt, hatte ich bei der Einladung doch Tierfiguren aus „Lion King“, afrikanische Stoffe/Kleider oder sonstige passende Accessoires im Sinn gehabt. Soviel ich mitbekommen habe, fühlte sich durch diese Maskerade wenigstens kein Gast persönlich verletzt. Hätten meine späteren Freundinnen aus Kenia an der Party teilgenommen, wäre dies sicherlich anders gewesen.

Die im Wikipedia-Artikel zu „Blackfacing“ (Link im Erkundungstext) umrissene betreffende Debatte in Deutschland weist viele Ähnlichkeiten zu derjenigen in der Schweiz auf, welche insbesondere ein knappes Jahr nach besagter Mottoparty aufgrund eines Sketches im Schweizer Fernsehen ins Rollen gebracht wurde. Dieser Hintergrundartikel zeigt m.E. auf eindrückliche Weise auf, wie „Blackfacing“ eine Erscheinungsform des gängigen strukturellen Rassismus im 21. Jahrhundert darstellt.

Falls ihr mir noch von euren eigenen allfälligen Erfahrungen mit/Gedanken zu Mottoparties und ähnlichen Phänomenen oder aber mit/zu Formen von strukturellem Rassismus berichten mögt, so freue ich mich darüber. So oder so möchte ich euch, liebe Bloglesenden und -kommentierenden, an dieser Stelle nochmals ganz herzlich für eure treue Begleitung und euer anhaltendes Interesse danken! Es hat mir grosse Freude gemacht, mich auf diese Weise mit euch auszutauschen!

Herzliche Grüsse und vielleicht auf ein andermal wieder, eure Ella

 

 

 

 

 

 

21 Gedanken zu “Reflexionen

  1. Liebe Theater,

    doppelte dramatische Realität ist der Begriff, der mich besonders angesprochen hat. Ich stelle mir gerade vor, wie sich unsere Realitäten kleinen Schachteln gleich in einander falten, um gleichsam eine neue zu bilden.
    Hast du eigentlich zu dem Thema 10´000 cigarettes geschrieben? Ich finde, das bietet sich geradezu als Titel einer Kurzgeschichte oder eines kurzen Textes an…

    Liebe Grüße
    Hedda

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    • Liebe Hedda,

      Vielen Dank für Deine Gedanken und Assoziationen! „10’000 Zigaretten“ war nicht meine Textidee, ich habe nur das Theaterstück mit diesem Titel von Alex Broun in einem neuen Text „verarbeitet“. Sein 10-Minutenstück findest Du auf http://www.alexbroun.com.

      Herzliche Grüsse

      Ella

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  2. Liebe Ella,
    mein Verständnis bisher war, dass es sich bei dramatischer Realität um eine Inszenierung im Alltag handele. Jetzt wird mir klar, wie vielschichtig, Drama und Realität ineinander greifen.
    Auf jeden Fall würde ich sehr gern 10´000 cigarettes (und auch die anderen 10-Minuten-Stücke) einmal live sehen. ich habe mir dieses kurze Stück auf youtube angesehen und finde dabei, dass deine Erkundung vielleicht sogar noch interessanter ist als das Stück selbst!
    Herzlich, Fe.

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  3. Liebe Eliane,
    das Spiel mit den Realitäten, das mich an das unendliche Spiegelbild (Parallelspiegel) erinnert, das Bild im Bild im Bild im Bild, die Realität in der Realität, in der Realität … Was für Möglichkeiten, wenn solche Geschichten kunstvoll ineinander greifen können … Eine tolle Inspiration, auch der Ausflug in das Theaterstück auf you tube …Danke dafür,
    Sabine

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  4. Liebe Fe, liebe Sabine

    Wieder einmal bin ich aufgrund von Arbeitsdruck reichlich spät dran mit meinen Antworten auf Eure Kommentare, die mich aber wahnsinnig gefreut haben!

    Das ist eine geniale Idee, liebe Fe, das Stück auf youtube anzuschauen, da bin ich gar nicht drauf gekommen!! Hast Du bzw. Du, liebe Sabine, mir vielleicht eine Empfehlung für eine Aufführungsversion? Dann könnte ich ja dieses Filmchen hier auch noch hochladen, falls andere noch Interesse haben, das eigentliche Stück zu sehen. Ich finde die Form der 10-Minuten-Stücke auch sehr spannend, und irgendwie wohl auch verwandt mit der Prosa-Form der Kurzgeschichte, mit der wir uns ja nun intensiv auseinandersetzen…

    Ich freue mich auch sehr darüber, dass Euch das Thema anspricht und Ihr von seiner Vielfältigkeit auch fasziniert seid :-). Das Stück in einem Text sinnvoll zu verarbeiten, fiel mir gar nicht so leicht – umso schöner, dass es Dir, liebe Fe, gefallen hat. Herzlichen Dank für Euer Interesse!

    Ich hoffe, Ihr habt heute auch einen sonnigen Tag vor Euch!

    Herzlich

    Ella

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    • Vielen Dank auch an Sabine für das tolle Bild der Parallelspiegel!! Dazu fällt mir wiederum ein Lied eines Schweizer Liedermachers ein, Mani Matter, der im Friseursalon von einem metaphysischen Gruseln gepackt wird, als er sein Spiegelbild unendliche Male wahrnimmt… Ich werde es oben im Text gleich noch einfügen ;-). Dankeschön für Eure Inspirationen, mit Euch macht das Bloggen gleich noch viel mehr Spass!

      Herzlich, Ella

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      • Liebe Eliane,
        ich glaube, genau das ist es, was das Bloggen so spannend und interessant und was daran obendrein Spaß macht! 😉
        Und genau das erinnert mich dann wieder an den unendlichen Spiegel, in dem es immer und immer und immer wieder weiter geht …
        Liebe Grüße,
        Sabine

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      • Liebe Sabine,

        vielen Dank für den Link zum Video! Als ich mir dieses und noch ein paar andere, die eine Inszenierung des Stücks zeigen, angesehen habe, war ich aber ehrlich gesagt ein wenig enttäuscht… Im Gegensatz zu diesen Inszenierungen fand ich diejenige der Gay Beggars sehr viel ansprechender. Sie wählten ein Bühnenbild mit verschiedenen Cafétischen, welche sie bei jeder „Zigarettenimagination“ in wieder einer anderen Konstellation zur eigentlichen Darstellung der Szene nutzten. Im Pariser Laden zu Beginn setzte sich die betreffende Gloria z.B. auch eine Dior-Sonnenbrille auf, und erhielt „vom Kellner“ (eine andere Gloria) tatsächlich eine ZIgarettenpackung. Ich habe den Eindruck, dass sich die Imaginationen mit diesen Mitteln noch viel stärker manifestierten als in den auf youtube verfügbaren Videos. Trotzdem natürlich vielen Dank für den Link! Diese Erfahrung zeigt ja auch wieder, wie unterschiedlich man das gleiche Stück inszenieren kann…

        Das Bild des gemeinsamen Bloggens als unendliches Spiegelbild gefällt mir sehr :-)!

        Herzlich, Ella

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      • Liebe Eliane, die unterscheielichen Inszenierungen ähneln vermutlich den subjekitven Inszneirerungen unserer eigenen Gedanken und Gefühle in dem, wie wir die Welt und uns betrachten …
        Freut mich, dass dir das unendliche Spiegelbild so gut gefällt,
        liebe Grüße, Sabine

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  5. Liebe Ella,
    dieses Lied auf Berndeutsch ist toll. Also schon mal der Inhalt ist gut. Aber ich finde es einfach wunderbar, mal Berndeutsch lesen zu können und dabei vor Augen geführt zu bekommen, dass das wirklich eine eigene Sprache ist. Die Sprache entfaltet dabei auf mich eine eigene Wirkun und rührt mich auf einer Ebene an, die ich nicht wirklich benennen kann. Ich bin begeistert.
    Liebe Grüße
    Anne

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  6. Liebe Anne,

    am liebsten würde ich ja den ganzen Tag mit Euch bloggen bzw. chatten, und endlich auch Euren Blogs mal die Ihnen so sehr gebührende Zeit widmen! Leider macht mir da der Alltag immer wieder einen Strich durch die Rechnung…

    Vielen Dank jedenfalls für Dein sofortiges Feedback! Dass die Lektüre des Berndeutschen so viel in Dir auslöst, berührt mich wiederum ebenfalls. Ja, manchmal vergesse ich auch, dass das Schweizerdeutsche (und seine nochmals sehr unterschiedlichen Dialekte) eine eigene Sprache mit eigenen Begriffen ist. Interessant ist ja auch, dass seit den 70er/80er-Jahren vermehrt Literatur auf Schweizerdeutsch erscheint, nachdem ursprünglich in der Schweiz im schriftlichen Ausdruck nur das Hochdeutsche verwendet worden war. Ein bekannter Schriftsteller, der meines Wissens vornehmlich auf Scheizerdeutsch – ebenfalls Berndeutsch – schreibt, ist Pedro Lenz (http://www.pedrolenz.ch/ – vielleicht auch jemand für Heddas Familienchronik, fällt mir gerade ein??).

    Durch die Kommunikation via SMS, WhatsApp und Co. sowie auch via E-Mail wurde die Verschriftlichung des Schweizerdeutschen, wie mir scheint, immer selbstverständlicher und alltäglicher. Angenehm (und zugleich kreativitätsfördernd ;-)?) ist dabei auch, dass es – ganz im Sinne Deines Manifestes! – eigentlich keine klaren orthographischen Regeln gibt, bzw. kein Richtig und Falsch; jeder Mensch schreibt sozusagen, wie ihm/ihr der Mund gewachsen ist…

    Herzlichen Dank für Deine begeisterte Reaktion und liebe Grüsse in den Norden

    Ella

    Gefällt 2 Personen

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